Meister + Schüler*innen – Beispiele der Bremer Bildhauerschule
Prof. Bernd Altenstein zum 80. Geburtstag
Freiluftausstellung in der Bergstraße vom
1. Juli 2023 bis 30. Juli 2024
Eine Begleitausstellung in der Galerie Altes Rathaus wurde vom 3. September bis 8. Oktober 2023 gezeigt.
Die Einführungsrede während der Eröffnung am 3. September hielt Dr. Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Haus, in Bremen.
Begrüßung: Bürgermeister Stefan Schwenke, Gemeinde Worpswede.
Skulpturen im öffentlichen Raum 2023/24
Das in 2021 begonnene Ausstellungsprojekt: Ein Skulpturenpfad durch Worpswede `Kunst im öffentlichen Raum´ wird auch in 2023 mit einer neuen Ausstellung „Meister & Schüler*innen – Beispiele der Bremer Bildhauerschule“ fortgeführt. Mit Kunst im öffentlichen Raum will das Projekt Besucher*innen des Künstlerdorfes mit zeitgenössischer Kunst in Berührung bringen, unabhängig davon, ob diese einen Museums- oder Galeriebesuch vorhaben. Damit soll Worpswede als lebendiger Künstlerort erlebbar sein, der über das kulturelle Erbe hinausweist. Zugleich soll aber auch in Worpswede die Wahrnehmung von Bildhauerei und anderen dreidimensionalen Kunstobjekten gestärkt werden.
Der weit bekannte Worpsweder Bildhauer Bernd Altenstein feiert im April 2023 seinen 80. Geburtstag. Jahrzehntelang hat er als Professor an der HfK Bremen im Studiengang Freie Kunst junge Bildhauerinnen und Bildhauer geschult, die längst inzwischen selber erfolgreiche und namenhafte Bildhauer*innen sind. Ihm zu Ehren präsentiert der Künstlerort Worpswede, wo er seit 1994 sein Atelier in der Bauernreihe hat, die Ausstellung „Meister Schüler*innen – Beispiele der Bremer Bildhauerschule“ für ein Jahr lang bis Juli 2024 mit insgesamt 13 Bildhauer-Arbeiten.
Neben Bernd Altenstein werden ausstellen Cornelia Brader (Memmingen), Hinrich Brockmöller (Bremen), Klaus Effern (Bremen), Rainer Fest (Glashütte), Ulrike Gölner (Verden), Dietrich Heller (Bremen), Hans J. Müller (Bremen), Amir Omerovic (Bremen), Stefan Saxen (Bremen), Silvia Siemes (Tengen). In der Galerie Altes Rathaus werden zudem Barbara Deutschmann (Bremen), Gisela Eufe (Bremen/Worpswede) und Christoph Fischer (Worpswede) zu sehen sein.
Bernd Altenstein ist ein wichtiger Vertreter der figürlichen Bildhauerei in Deutschland nach 1970. Seine Figur „Das Ende“, besser bekannt als „mit Brille wär das nicht passiert“ in den Wallanlagen ist nach den Stadtmusikanten die wohl bekannteste Skulptur in Bremen. Eine Ausstellung in der Galerie Altes Rathaus in Worpswede würdigt sein Werk und seine wichtige Rolle als Lehrer.
Um Altensteins Position als Bildhauer zu verstehen, muss man sich kurz die deutsche Kunstgeschichte nach 1945 vergegenwärtigen. Die Generation vor ihm positionierte sich in der Auseinandersetzung zwischen gegenständlicher und ungegenständlicher Plastik. Vor allem in den 1950er-Jahren wurde dieser Streit mit großer Heftigkeit geführt und es schien, als würden die beiden Positionen sich gegenseitig ausschließen. Altenstein und seine Weggefährten taten das, was ihre Vorläufer sich nicht vorstellen konnten: Sie entschieden sich für die Figur und griffen gleichzeitig mit großer Selbstverständlichkeit auf die Errungenschaften der ungegenständlichen Plastik zurück. Diese unerwartete Kombination bot die Möglichkeit, Figuren zu schaffen, ohne auf die alten Muster des Naturalismus zurückgreifen zu müssen. In Altensteins Skulpturen ist der Mensch stets in eine Form eingebettet, die sowohl künstlerisch gestaltet als auch inhaltlich von Bedeutung ist. Damit ist er ein wichtiger Vertreter des sogenannten „Realismus“ in der Bildhauerei der Bundesrepublik, dem es nicht nur um die Darstellung des Menschen ging, sondern auch darum, ihn in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu zeigen. Dabei verlagerte sich sein Interesse immer mehr auf die Beziehungen der Menschen untereinander.
Altensteins Oeuvre ist vielseitig. Eine wichtige Konstante ist die Art und Weise, wie er in jeder Figur eine vereinfachte plastische Form und eine lebendige Oberfläche in ein Gleichgewicht bringt. Altensteins Werk steht damit in der Tradition des bildhauerischen Reichtums. Es geht nicht um die Reduktion auf eine klare skulpturale oder gar konzeptuelle Idee, sondern um die Entfaltung in der Wahrnehmung. Inhaltliche und formale Aspekte stehen gleichberechtigt nebeneinander, so dass auch die Modellierung die Stimmung der Figuren trägt.
Von 1975 bis 2009 war Altenstein Professor für Bildhauerei an der Hochschule für Künste Bremen. Zusammen mit seinem Kollegen Waldemar Otto (bis 1994) prägte er die Ausbildung und damit die figurative Bildhauerei in der Region. Altenstein war dabei derjenige, der ungegenständlichen Positionen grundsätzlich positiv gegenüberstand, so dass bei seinen Studierenden die Vielfalt der bildhauerischen Auffassungen der 1980er Jahre sichtbar wird. In der Ausstellung in Worpswede wird diese „Generation“ durch Rainer Fest, Barbara Deutschmann, Ulrike Göllner, Hans J. Müller und Silvia Siemes vertreten. Auffällig ist dabei, welch unterschiedliche Materialien diese Bildhauer*innen benutzen. Wichtig für die Bremer Situation war, dass viele Studierende über den zweiten Bildungsweg an die Akademie kamen und handwerkliches Können mitbrachten. Ein Beispiel dafür ist Stefan Saxen, der ursprünglich als Steinmetz ausgebildet wurde und auf dieser Basis in Bremen seine eigene Sprache entwickelte.
Nach der Emeritierung seines Kollegen entwickelte sich Altensteins Klasse zu einem Sammelbecken für die Künstler*innen in Deutschland, die an der Figur festhalten wollten. Bremen war seit den späten 1990er-Jahren eine der wenigen Akademien, wo dieser Schwerpunkt noch vermittelt wurde. Die Studierenden kamen von überall her, und die grundsätzlich offene Haltung des Professors führte zu einer bemerkenswert vielfältigen Klasse, in der sehr unterschiedliche Auffassungen von der figürlicher Bildhauerei aufeinandertrafen. Diese „Generation“ wird in der Ausstellung durch Cornelia Brader, Klaus Effern, Dietrich Heller und Amir Omerovic vertreten. Hinrich Brockmöller gehört zu den letzten Student*innen Altensteins, die sich nach seiner Emeritierung neu orientieren mussten. Da Altenstein immer die Entwicklung der eigenen individuellen Sprache betont hatte und die Werke seiner Studierenden, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nie nach seinem Werk aussah, war das gar nicht schwierig.
Altensteins Lehre zeichnete sich durch drei Merkmale aus. Erstens verstand er den Professor als die Person, die Möglichkeiten für seine Student*innen schafft. Mit großen Ateliers schuf er optimale Arbeitsbedingungen. Eine Folge war, dass seine Studierenden groß arbeiten konnten und es oft immer noch tun. Zweitens vermittelte er Kunstgeschichte und Toleranz. Alle wussten, dass es viele Möglichkeiten gibt, Bildhauerei zu machen. Das bewahrte die Klasse vor Fundamentalismus. Drittens hielt er sich offensiv aus inhaltlichen Debatten heraus. Jeder Mensch habe eigene Inhalte und die Aufgabe von Künstler*innen sei es, dafür eine Form zu finden. Und wenn jede*r andere Inhalte hat, heißt das automatisch, dass sich, wenn es gut geht, ganz unterschiedliche Sprachen entwickeln. Die manchmal zu hörende Kritik, das sei doch alles bloß figürlich, geht am Kern vorbei, nämlich, dass die Künstler*innen dafür jeweils eine eigene individuelle Sprache entwickelt haben: Wer nur Figur sieht, sollte besser schauen.
Textbeitrag von Arie Hartog
Hier gibt es den ausführlichen Flyer als PDF zum herunterladen